Zu Hause in verschiedensten Ländern und ästhetischen Welten, verzaubert die japanische Designerin ihre Fangemeinde mit immer neuen Fashion-Ideen
Bauklötzchen-Fassaden und Mauerstücke aus Pappe, gold leuchtender Papierblätterregen oder kunterbunte Fantasieobjekte à la Miró plus Partygirlanden und dazwischen einzelne, an Puppen drapierte Kleider, Hosen, Röcke … Derlei ungewöhnliche Inszenierungen entstehen, wenn eine Modeschöpferin mit Sinn für Humor und vor allem einer unbezähmbaren Liebe zur Kunst Fotografen, Künstlern und Bühnenbildnern die Dekoration ihrer Stores überlässt.
Das Kleid als Leinwand
Und damit wären wir auch schon mittendrin im Kosmos von Tsumori Chisato, die seit gut zweieinhalb Jahrzehnten die Fashion-Welt mit ihren farben- und detailreichen Kreationen in Atem hält. Kreationen, die sich in einem ganz eigenen Reich, irgendwo zwischen Manga und Märchen bewegen, immer wieder anders, aber immer üppig, nicht nur durch die Wahl der Stoffe, sondern durch die plakativ eingesetzten Pop-Art-Farben und Print-Motive oder auch durch die verschwenderische Verzierung mit Perlen, raffinierten Stickereien und Applikationen. Fast nebensächlich scheint zuweilen der Schnitt, so sehr steht der textilgewordene künstlerische Impetus im Vordergrund.
Doch natürlich beherrscht Tsumori Chisato das Couture-Handwerk perfekt. Nach dem Abschluss des berühmten Bunka Fashion College in Tokio steigt sie 1977 als Chefdesignerin von I. S. Issey Sports bei Issey Miyake ein, worauf die Linie irgendwann umbenannt wird in I. S. Chisato Tsumori Design. Und 1990 lanciert sie schließlich, ermutigt vom Meister persönlich, ihre erste eigene Kollektion, die zunächst auf den Laufstegen der Tokyo Fashion Week zu sehen sind und seit 2003 auch auf den Prêt-à-porter-Schauen der Paris Fashion Week.
Die Sommerkollektion 2017? Ist durch und durch inspiriert von Chisatos Kuba-Reise. Die Schau begann mit überraschend zurückhaltenden Weiß- und Elfenbeinschattierungen, die ganz auf das Spiel mit Strukturen setzen, auf den Mix aus verschiedenen Stoffen von Baumwolle bis Organza, besetzt mit Volants, Rüschen, Paspeln. Und dann plötzlich doch wieder flamboyante Exotikprints – und, Gipfel der Sophistication: ein durchscheinendes Kleid, bestickt mit blassgoldenen Kolibris, Schmetterlingen, Elefanten – eine Hommage an Josephine Baker und ihren legendären Auftritt in Havanna 1966. Nun, Tsumori Chisato ist eben auch mit 62 noch kein bisschen afraid to dream!
Wäre Tsumori Chisato Interiordesignerin, so entstünden möglichweise fantastische Säle wie in einem Märchenschloss, in denen sich vor einer Kulisse aus großformatigen Pop-Art-Bildern, Rokokomöbeln und Souvenirs aus aller Herren Länder ein buntes Völkchen aus Orientprinzessinnen, Tokioter Streetstyle-Ikonen und Manga-Figuren tummelt.