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Retreat & Relaunch - Rückzug und Neustart: Die Architektin Ines Miersch-Süß im Interview zur Neuausrichtung Ihres Architekturbüros

Retreat & Relaunch - Becoming MSAO!

"Nur wer zurückschaut, kann auch in die Zukunft blicken."

Eine Weisheit, die Ines Miersch-Süß ernst genommen hat. Ihr Architekturbüro hat den langen Prozess der Erneuerung durchlebt und mit der Brand MSAO Miersch Suess Architectural Offices / International Consultant eine komplette Restrukturierung ihres Architektur- und Ingenieurgeschäftes vollzogen. Die Firmenphilosophie „Thinking the Twenty-First-Century“ steht für die veränderte strategische Ausrichtung. Im Interview spricht sie über die Idee dahinter und die Faszination des Neustarts.

Frau Miersch-Süß, was war der aus­schlaggebende Impuls, um einen sol­chen Rundum-Relaunch zu starten?

Es war exakt der Moment, als sich alles nur noch wie eine Endlosschleife anfühlte. Obwohl wir durchaus erfolgreich waren, hatte ich den Eindruck, auf der Stelle zu treten. In solchen Mo­menten ziehe ich mich automatisch zurück, um aus der Position des distanzierten Beobachters dieser Wahrnehmung nachzugehen.

Also eine Art „Retreat & Relaunch“. Was hat Sie am meisten beschäftigt?

Die Fragestellung zum aktuellen Selbstverständnis des Architekten. In Gesprächen und auf Foren mit Kollegen kam ich mir immer wie ein Außenseiter vor, weil sich mein Selbstverständnis als Architektin eigentlich nie mit dem der Kollegen deckte. Daraus haben sich zwei konkrete Arbeitsthemen ergeben: Abschied von Begrenzung und Living Diversity. Anhand dieser Themenstellung konnte ich dann analysieren, entwickeln und habe Entscheidungen getroffen. Aus beiden Themen ist letztlich mehr geworden: Sie sind Philosophie und Strategie für unsere Neuausrichtung zugleich.

Was verbirgt sich genau hinter „Abschied von Begrenzung“?

Auf der einen Seite haben wir uns in den letzten 20 Jahren gerade durch die immerwährende Wiederholung auf verschiedensten Arbeitsgebieten zu Experten entwickelt. Und das ist gut so. Auf der anderen Seite haben die Kunden immer neue Services und Aufgaben von uns gefordert, die wir gern übernommen haben und weiter ausbauen werden. Unsere Tätigkeit ging immer weit über das reine Architekturdesign hinaus. Abschied von Begrenzung ist Ausdruck dieser Bandbreite an Dienst- und Designleistungen.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Wir entwickeln Zukunftskonzepte für Institutionen und Unternehmen oder für den Städte­bau, die wir als Architekten und Ingenieure mit betriebswirtschaft­lichen Methoden kombinieren. Wir begleiten als Designer und Ingenieure Innovation und Veränderungsprozesse. So sind wir nicht nur in der Lage, den Kunden unter dem Aspekt des Schönen und Visionären zu beraten, sondern können ihm auch die Mach­barkeit einer Entscheidung und ihre Konsequenzen für das wirtschaftliche, technische und künstlerische Ganze vor Augen führen. Visionäres Denken, Trend- und Entwicklungsvorschau auf 20 bis 30 Jahre hinaus zielsicher mit der konkreten Option der Umsetzung zu kombinieren ist unsere absolute Stärke. Es geht dabei zentral im Veränderungen und Innovation -  Eine Art Design Think!

Wie genau findet Design Think statt?

Veränderungen und Innovationen finden dann statt, wenn die aktuelle Situation erkannt und verstanden wird. Ohne Verstehen - keine Veränderung! Eine gängige Methode ist der Perspektivwechsel, bei dem man in andere, ungewohnte Rollen schlüpft und zum Beobachter wird. 
Ich selber war Galeristin, Verlegerin und habe anders als in der Architektur einmal nur 2D Design Konzepte entwickelt. Dadurch konnte ich Kunden und Märkte auf ganz neue Weise erleben und auch verstehen. Man gewinnt Einblicke und Erkenntnisse, die eine mit Blick von Außen erstellte Marktanalyse nicht ersetzen kann. Innovation und Veränderung beginnt genau hier! Der Schlüssel ist Erkenntnis.

Halten Sie an diesem Prinzip des Perspektivwechsel für Ihre eigene Unternehmensentwicklung fest?

Auf jeden Fall. Insbesondere das kuratieren von Ausstellungen etwa, wird auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Das setzt unglaubliche kreative Energien frei und fordert.  Veränderung ist ein Gedankenspiel, das in der Skizze eines Prototypen im warsten Sinne des Wortes erprobt wird. Erst dann folgt Design. Innovation und Veränderungsprozesse stehen aus genau diesem Grund unter dem Wortspiel "Design Think".


Welche Rolle spielt dabei "Vielfalt"?

Wir sehen Grenzen nicht als Hindernis, sondern als Herausforderung und haben auch dann noch eine kreative Lösung parat, wenn sich an­dere bereits mit einem Ergebnis zufriedengegeben haben. Wir schauen nach links, wenn andere nach rechts schauen. Das ist unser Verständnis von Vielfalt. Neben dem Development-Consulting werden wir Design & Construction weiter stark in den Mittelpunkt stellen. Hinzu kommt das Projektmanagement, bei dem wir bis ins Projektmarketing eintauchen. Mit diesen drei Säulen sind wir vielfältig und fokussiert zugleich.

Und wie steht es um die riesige Bandbreite möglicher Architekturaufgaben?

Hier setzen wir klare Schwerpunkte und bauen auf unser Expertenwis­sen. Im letzten Jahr fand unsere große Relaunch-Ausstellung statt. Beim Kuratieren der Projektarbeiten aus 20 Jahren wurde uns klar, dass sich die Projekte in vier nennen wir es Sektoren einteilen lassen: Cultural Highlights, Hightech-Industries & Research, Highend-Mobility und schließlich das Excellence-Business, auf das ich gern noch gesondert eingehen möchte. Mit dieser Struktur haben wir ein Fundament geschaffen, um Märkte und Zielgruppen präzis anzusprechen und mit unserem Experten­wissen vielfältig zu bedienen.

Welche Rolle spielt in diesem Konzept die Architektur als Ausdruck von Stil?

Ich denke, ich habe von Architektur, als Stilkunst betrachtet, keine starre Vorstellung. Je nach Bedarf bediene ich mich bei meiner Arbeit als Designerin der verschiedensten verfügbaren Stilmittel, von Louis-quatorze bis Bauhaus, von japanischem Zen bis zu barockem Farbrausch. In meinen Entwürfen ist mir nur eins wichtig, dass sich darin exakt die Persönlich­keit meines Auftraggebers oder seine persönliche Botschaft widerspie­gelt. Durch die Inszenierung von Raum als freie oder dramaturgisch konzipierte Raumfolge lässt sich diese Botschaft hervorragend transportieren. Letztlich kommt es darauf an, wie man einen Raum erlebt und damit eben auch Architektur erfährt. Es hat viel von der Begegnung mit einer Persönlichkeit. Die Beschränkung auf die viel zitierte Kraft des Genius Loci ist mir zu wenig.

 

„ BEI MEINEN ENTWÜRFEN IST MIR NUR EINS WICHTIG: DASS SICH DARIN EXAKT DIE PERSÖNLICHKEIT MEINES AUFTRAGGEBERS ODER SEINE PERSÖNLICHE BOTSCHAFT WIDERSPIEGELT.“

 

 

Was hat es mit dem Family Office auf sich?

Mit dem Family Office schaffen wir in Anlehnung an die Unternehmensstruktur von Banken erstmals eine Art Privatkundengeschäft. Kunden, die wir damit bedienen, sprechen eine differenzierte Sprache in ihrer Unternehmenskultur, aber auch im Privatbereich. Hier bieten wir Architekturleis­tungen, die sehr viel mit der persönlichen Begegnung mit dem Kunden zu tun hat. Die Ansätze dieses Geschäfts­kundenkreises, ihre Denkweise und das Verständnis für die Art ihrer Geschäftstätigkeit stehen für uns im Mittelpunkt. Im Wesentlichen geht es hier um das Premium-Interiordesign, dass wir mit höchst individuellen, maßgeschneiderten Lösungen bedienen. Hier ist nichts, aber rein gar nichts von der Stange.

Ist das Thema „Globalisierung“ für Sie wichtig?

Unbedingt! Beim Kuratieren unserer Projektvita wurde mir schnell klar: Wir müssen zurück in die Zukunft! Das heißt: Unsere Karrieren waren von Anbeginn international ausgerichtet. Wir waren schon vor 20 Jahren in ganz Europa sowie in Malaysia zu Projekten unterwegs, und das vor allem in interkulturellen Projektteams. Diese interkulturelle und sprachliche Kompetenz ist unsere Basis, mit der wir unser Architekturunternehmen zukünftig wieder in einen grenzenlosen internationalen Kontext stellen. Destination? Europa, Asien, Arabische Halbinsel, Amerika.

Lassen Sie Dresden damit hinter sich?

Nein, keinesfalls. Hier in dieser Stadt der Innovationen und Ingenieurskunst sind unsere Wurzeln. Die ersten 25 Jahre nach der Wende arbeitete man hier im Turbotakt und leistete einen Wiederaufbau, für den München und andere deutsche Großstädte 50 Jahre Zeit hatten. Die kommenden 25 Jahre werden für Dresden eine bedeutende Herausforderung sein, bei der sich zeigen wird, wie metropolitan diese Stadt sein kann – oder auch nicht. Und an dieser Entwicklung wollen wir unbedingt beteiligt sein.

Was ist Ihr nächster Schritt in dieser Richtung?

Die Lancierung der MSAO Future Foundation. Wir werden als Erstes Pro­jekte gestalten, die sich auf die Zukunftsfragen Dresdens, auf Nachhaltig­keit und Vielfalt konzentrieren. Wichtig ist dabei eine offene Reflexion zu den gesellschaftlichen Entwicklungen und Notwendigkeiten, denen wir in Zukunft durch die Architektur und den Städtebau gerecht werden müssen.

Worauf ist Ihr Auslandsgeschäft ausgerichtet?

Einerseits setzen wir auf lokale Kunden im jeweiligen Land, die ihren Vorhaben das mit „Ger­man Architecture and Engineering“ verbundene Werte- und Qualitätsverständnis zugrunde legen. Dazu kommt unser Expertenwissen, das wir je nach Land und Region gezielt zum Einsatz bringen. Letztlich sind es vor allem deutsche Unternehmen, die wir im Ausland beglei­ten. Und ausländische Unternehmen, die in Deutschland Investitionen planen. Unsere interkulturelle Kompetenz steht hier im Mittelpunkt unserer Export- und Importdienstleistungen.

Artikel erschien zuerst in AD Architectural Digest Ausgabe 04.2016
In der Sonderausgabe Dresden de Luxe
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Die Architektin Ines Miersch-Süß ist Gründerin und Inhaberin von MSAO Miersch Suess Architectural Offices. Sie richtet das marktorientierte internationale Architekturgeschäft neu aus. Sie ist Ansprechpartner für Akquisition und Neuprojekte sowie Kunden-Projektanfragen.

Für persönliche Informationen und Kontakt: kontakt©msao.de

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