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EILEEN GREY

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Eileen Greys Möbel werden in einem Atemzug mit denen von Mies van der Rohe und Le Corbusier genannt. Auf Auktionen erzielen die Designstücke der Irin unfassbar hohe Preise. Ihr "Drachensessel" wird zum teuersten Stuhl des 20. Jahrhunderts. 20 Millionen Euro gingen dafür bei Christies vor einigen Jahren über den Auktionstresen. Schade, dass Eileen Grey das nicht selbst erleben durfte. Aber wahrscheinlich wäre es ihr sowieso egal gewesen. Jahrzehntelang wurde die Ausnahme Designerin mit Hang zum Nonkonformismus von der internationalen Designer- und Architekturszene ignoriert. Heute überschlagen sich Architekturkritiker förmlich, wenn sie von Gray’schen Häusern und Räumen schwärmen. Ihre Design Kreationen sind State of the Art. Trotzdem hat sich die gebürtige Irin nie als Gestalterin verstanden. Ihr Aufstieg zu einer der überragendsten Design Ikonen unserer Zeit ist dabei eher einem Zufall zu verdanken.

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Von der Künstlerin zur Designerin

Es ist 1905. Die junge Eileen studiert gerade an der Londoner Slade School of Art Malerei und Zeichnen. Bei einem Streifzug durch die Straßen von Soho stößt sie auf die Werkstatt von D. Charles, einem Spezialisten für historische chinesische und japanische Lackarbeiten. Die Kunststudentin ist fasziniert und fragt den Meister spontan nach einem Job. Am Montag darauf, kann die Tochter aus gutem Hause bei dem Meister anfangen.

Mit ihren Lackarbeiten vollzieht Eileen Gray ihren ganz persönlichen Wechsel von der Zweidimensionalität der Leinwand in die Dreidimensionalität des Raumes. Wie keine andere vor ihr verbindet sie bei ihren Objekten auf einzigartige Weise figürliche mit abstrakten Dekoren. 1907 zieht es die extravagante junge Frau von der Themse an die Seine. In Paris avanziert sie schnell zum Darling der Künstlerszene. Doch dann ein radikaler Wandel: Die Frau, die eben noch Schlangen, Löwenköpfe und Drachen applizierte, wird zur Avantgardistin. Sie trifft auf die holländische Künstlergruppe De Stijl, die die Lösung aller Gegensätze in minimalistischer Geometrie sieht. Sie gestaltet den Beistelltisch mit dem nüchternen Namen E1027, der einmal zum meist kopierten Tisch aller Zeiten werden wird. Ihre höchst individuellen Möbel orientieren sich am Bauhaus, allerdings immer mit einem Schuss Ironie. Sessel wirken leicht wie Liegestühle oder knuffig wie das damals ungemein populäre Michelin-Männchen. 

Vom Interieur zur Architektur

Mit Jean Badovici, einen 15 Jahre jüngeren Architekten verbindet sie ein Liebes- und Arbeitsverhältnis, über das bis heute gerätselt wird. Ab 1924 treten die beiden gemeinsam als Liebespaar auf, und Eileen Grey versucht sich in Architektur: Mit der von 1926 bis 1929 erbauten Villa in Roquebrune-Cap-Martin an der Côte d’Azur steigt Eileen Grey endgültig zur ‚Queen of Hippness jener Zeit auf. Die von ihr geschaffene offene Raumgestaltung und die horizontalen Fensterbänder sind eine Sensation. Ebenso die von Grey  designten Badezimmer, Fensterparavents und rollbaren Jalousien. Die Villa ist ein Liebesgeschenk der exzentrischen Irin an ihren Lover Badovici. Sogar Le Corbusier gibt sich beeindruckt. Das hält ihn allerdings nicht davon ab, an der weißen Fassade der von Eileen Grey geschaffenen Villa seine ganz eigene Duftmarke in Form von grellen Fresken zu setzen. 

Späte Aufmerksamkeit

Erst ein paar Jahre vor ihrem Tod wird die einstige Stilikone wieder entdeckt. Plötzlich erzielen ihre frühen Stücke auf Auktionen Rekordpreise. Ihr verächtlicher Kommentar zum plötzlichen Run auf ihre Möbelstücke: „Einfach lächerlich.“ So wie sich die Avantgardistin und Nonkonformistin ein Leben lang um die Meinung anderer scherte, kümmerte sie auch der plötzliche Hype um ihre Person nicht mehr. Zumindest öffentlich. Wie es in ihr drinnen aussah werden wir nie erfahren. Am 31. Oktober 1976 starb eine der größten Stil Ikonen ihrer Zeit im Alter von 98 Jahren.