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ZAHA HADID

Zaha Hadid by Mary Mc Cartney

Nein, Zaha Hadid war nie besonders geschmeidig, und sie scherte sich ihr Leben lang wenig um die Meinung anderer. Das hat sie wohl auch nicht nötig gehabt. Die erste weibliche Architektin von Weltruhm entsprang einer schwerreichen irakischen Familie. Ihr Vater hatte durch erfolgreiche unternehmerische Aktivitäten schon früh ein Vermögen gemacht.  Später wurde Muhammad Hadid mehrmals Irakischer Finanzminister. Bereits als Elfjährige entwarf die spätere Ausnahmearchitektin ihr eigenes Kinderzimmer.  Dieses von Kinderhand gestaltete Modell war so erfolgreich, dass ein mit der Familie befreundeter Tischler dass von der kleinen Zaha designte Kinderzimmer mehrfach in Bagdader Bürgerhäuer einbaute. 

 

Was die Familie mit Zaha Hadids Aufstieg zur Architektur Ikone zu tun hat

Bis heute hält die Familie an ihrem Haus in Bagdad fest. Gestaltet in den Dreißigern und ausgestattet mit Möbeln aus den Fünfzigern des 20. Jahrhunderts. Von ihrer Mutter sprach Zaha Hadid stets mit Liebe und Respekt. In einem Interview sagte sie einmal: „Meine Mutter war eine hervorragende Malerin, mit einem sicheren Blick für schöne Formen. Dieses Talent habe ich von ihr geerbt.“ Auch ihr Vater hat großen Anteil daran, dass sie sich zu einer Architektin von Weltrang entwickeln konnte. "Wissen ist der eigentliche Reisepass für den Menschen im Leben" soll ihr Vater einmal gesagt haben. Dementsprechend erstklassig war auch ihre Ausbildung:  Erst studierte sie Mathematik an der American University of Beirut. Anschließend schickte Vater Hadid seine Tochter an die Architectural Association School of Architecture nach London. Doch die idealen Voraussetzungen, die ihr die Familie bot, waren es nicht allein, um aus der hochtalentierten jungen Frau in späteren Jahren eine Ikone der internationalen Architektur zu machen. Für Zaha Hadid war klar, dass sie als Architektin erfolgreich sein würde. Das leitete sie schon allein aus ihrem Nachnamen ab. Hadid bedeutet auf Arabisch Eisen. Der Name war für sie stets Programm. Damit kokettierte sie gerne. Ob sie bei dieser Anspielung auf ihren Willen oder das Baumaterial ihrer Konstruktionen hinweisen wollte, ist nicht überliefert. 

Die Frau,  die rechte Winkel hasste 

Zaha Hadid tickte schon immer anders als ihre Architekturkollegen. So gab sie unumwunden zu, dass sie rechte Winkel in der Architektur ganz einfach langweilig und öde findet. Einer ihrer Grundsätze lautete: „There are 360 degrees, so why stick to one?“ Oder zu Deutsch: Es gibt 360 Winkel¬grade, also warum sich nur an einen halten? Bei dieser fast schon an Anarchie grenzenden Ansicht dauerte es ziemlich lange, bis sich ein Investor traute, der jungen und unbeugsamen Araberin ein Projekt anzuvertrauen. Anfang der neunziger, da war sie schon Mitte Vierzig, bekam sie den Auftrag, ein Feuerwehrhaus im südbadischen Weil am Rhein zu erbauen. Kein großes Ding, sollte man meinen. Aber dieses Gebäude, bei dem Hadid konsequent die Gesetze der Schwerkraft und des rechten Winkels außer Kraft setze, sollte letztendlich ihren internationalen Durchbruch bedeuten. Pfeilspitze Dachauskragungen und ein auf hauchdünnen, schrägen Mikadosäulen balancierender Baldachin sorgten nach Fertigstellung nicht nur in dem kleinen Rheinstädtchen für Aufruhr. Das phaeno in Wolfsburg wurde dann ihr erstes großes Projekt. Laut der britischen Tageszeitung "the guardian" gehört es bis heute zu den 12 bedeutendsten Bauwerken der Moderne. Die sanften und fließenden Verläufe ihrer Entwürfe, gepaart mit schroffen und kantigen Partien, wurden zum unverkennbaren Markenzeichen der Pritzker-Preisträgerin. Weitere von Hadid realisierte Projekte waren das Rosenthal Center für Gegenwartskunst im amerikanischen Cincinnati, das Nationalmuseum in Rom, das Schwimm¬stadion für die Olympischen Sommerspiele in London 2012 und die erst 2015 fertiggestellte Oper im chinesischen Guangzhou.

Eine ihrer letzten Arbeiten war ein Joint Venture mit Bergsteigerlegende Reinhold Messner. Unter ihrer Egide entstand in Südtirol auf 2275 Metern Höhe ein größtenteils unterirdisch angelegtes Bergsteigermuseum. Dafür ließ Hadid den Berg teilweise aushöhlen. Von außen sind nur drei schräge Würfel zu sehen, die auch als Aussichtspunkte dienen. Und typisch Hadid: Der Beton zeigt sanft geschwungene Linien und steht somit im harten Kontrast zur felsigen und schroffen Bergwelt.

Eine Stararchitektin mit Passion für außergewöhnliche Design Objekte

Selbst geschaffene Designobjekte waren neben der Architektur die zweite Leidenschaft der hyperkreativen Zaha Hadid. Für die englische Pop-Band „Pet Shop Boys" gestaltete sie einmal die Konzertbühne für eine Welttournee. Ein von ihr designter Plastikschuh für den brasilianischen Schuhproduzenten Melissa sorgte auf der Londoner Fashion Week 2008 für Aufsehen Für die David Gills Galleries in London kreierte sie in den Jahren 2012/2013 mehrere durchsichtige Tische aus Acryl und Plexiglas, deren Tischbeine den Eindruck von herabfließenden Wasser erwecken. Wie Zaha Hadid einmal mit gewissem Bedauern feststellte, würde sie gerne mehr Objekte gestalten. Der Grund war recht einfach: Hier sähe man die Ergebnisse schneller als in der Architektur.

Letztes Vermächtnis  der Architekturgöttin 

Zaha Hadids plötzlicher Tod im März 2016 löste in der ganzen Welt Trauer und Bestürzung aus. Ironie oder Schicksal: Ausgerechnet auf arabischem Boden strebt das von der arabischen Ausnahmearchitektin entworfene Al Wakrah-Stadion seiner Vollendung entgegen. Ende 2016 

wird der in den für Zaha Hadid so typisch fließenden Formen gestaltete Fußballtempel 48 Meter hoch in den Himmel von Doha ragen. Nach ihrem Tod kommt dem Stadion nun eine ganz neue Bedeutung zu. Es wird als Teil des architektonischen Vermächtnisses an seine verstorbene Schöpferin erinnern